Der Räuberbräutigam

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 40 – Gast: Nico Wagner (Brettagogen)

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https://de.wikisource.org/wiki/DerRäuberbräutigam(1857)


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Das kluge Grethel / Der alte Großvater und der Enkel / Die Wassernixe / Von dem Tode des Hühnchens

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 77 bis 80 – Gast: Jan Dotzlaw (Brettspielerunde)

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Hans heirathet oder „Der Karschter Flaak“

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 84 – Gast: Stefan Proksch (Esel & Teddy)

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https://de.wikisource.org/wiki/Hansheirathet(1857)

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84. Hans heirathet.

Es war einmal ein junger Bauer, der hieß Hans, dem wollte sein Vetter gern eine reiche Frau werben. Da setzte er den Hans hinter den Ofen und ließ gut einheizen. Dann holte er einen Topf Milch und eine gute Menge Weißbrot, gab ihm einen neugemünzten glänzenden Heller in die Hand und sprach „Hans, den Heller da halt fest und das Weißbrot, das brocke in die Milch, und bleib da sitzen, und geh mir nicht von der Stelle, bis ich wiederkomme.“ „Ja,“ sprach der Hans, „das will ich alles ausrichten.“ Nun zog der Werber ein paar alte verplackte Hosen an, gieng ins andere Dorf zu einer reichen Bauerntochter und sprach „wollt ihr nicht meinen Vetter Hans heirathen? ihr kriegt einen wackern und gescheidten Mann, der euch gefallen wird.“ Fragte der geizige Vater „wie siehts aus mit seinem Vermögen? hat er auch was einzubrocken?“ „Lieber Freund,“ antwortete der Werber, „mein junger Vetter sitzt warm, hat einen guten schönen Pfennig in der Hand, und hat wohl einzubrocken. Er sollte auch nicht weniger Placken (wie man die Güter nannte) zählen, als ich,“ und schlug sich dabei auf seine geplackte Hose. „Wollt ihr euch die Mühe nehmen mit mir hinzugehen, soll euch zur Stunde gezeigt werden daß alles so ist, wie ich sage.“ Da wollte der Geizhals die gute Gelegenheit nicht fahren lassen und sprach „wenn dem so ist, so habe ich weiter nichts gegen die Heirath.“

Nun ward die Hochzeit an dem bestimmten Tag gefeiert, und als die junge Frau ins Feld gehen und die Güter des Bräutigams [424] sehen wollte, zog Hans erst sein sonntägliches Kleid aus und seinen verplackten Kittel an und sprach „ich könnte mir das gute Kleid verunehren.“ Da giengen sie zusammen ins Feld, und wo sich auf dem Weg der Weinstock abzeichnete, oder Äcker und Wiesen abgetheilt waren, deutete Hans mit dem Finger und schlug dann an einen großen oder kleinen Placken seines Kittels, und sprach „der Placken ist mein und jener auch, mein Schatz, schauet nur danach,“ und wollte damit sagen, die Frau sollte nicht in das weite Feld gaffen, sondern auf sein Kleid schauen, das wäre sein eigen.

„Bist du auch auf der Hochzeit gewesen?“ „Ja wohl bin ich darauf gewesen, und in vollem Staat. Mein Kopfputz war von Schnee, da kam die Sonne, und er ist mir abgeschmolzen; mein Kleid war von Spinneweb, da kam ich durch Dornen, die rissen mir es ab; meine Pantoffel waren von Glas, da stieß ich an einen Stein, da sagten sie klink! und sprangen entzwei.“

Hans im Glück

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 83 – Gast: Stefan Proksch (Esel & Teddy)

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https://de.wikisource.org/wiki/Hansheirathet(1857)


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83. Hans im Glück.

Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm „Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn.“ Der Herr antwortete „du hast mir treu und ehrlich gedient, wie der Dienst war, so soll der Lohn sein,“ und gab ihm ein Stück Gold, das so groß als Hansens Kopf war. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, setzte ihn auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus. Wie er so dahin gieng und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferd vorbei trabte. „Ach,“ sprach Hans ganz laut, „was ist das Reiten ein schönes Ding! da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuh, und kommt fort, er weiß nicht wie.“ Der Reiter, der das gehört hatte, hielt an und rief „ei, Hans, warum laufst du auch zu Fuß?“ „Ich muß ja wohl,“ antwortete er, „da habe ich einen Klumpen heim zu tragen: es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht gerad halten, auch drückt mirs auf die Schulter.“ „Weißt du was,“ sagte der Reiter, „wir wollen tauschen: ich gebe dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.“ „Von Herzen gern,“ sprach Hans, „aber ich sage euch ihr müßt euch damit schleppen.“ Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm die Zügel fest in die Hände und sprach „wenns nun recht geschwind soll gehen, so mußt du mit der Zunge schnalzen, und hopp hopp rufen.“

Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde saß und so frank und frei dahin ritt. Über ein Weilchen fiels ihm ein, es sollte noch schneller gehen, und fieng an mit der Zunge zu schnalzen und hopp hopp zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und ehe sichs Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Das Pferd wäre auch durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich her trieb. Hans suchte seine Glieder zusammen und machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauer „es ist ein schlechter Spaß, das Reiten, zumal, wenn man auf so eine Mähre geräth wie diese, die stößt und einen herabwirft, daß man den Hals brechen kann; ich setze mich nun und nimmermehr wieder auf. Da lob ich mir eure Kuh, da kann einer mit Gemächlichkeit hinter her gehen und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiß. Was gäb ich darum, wenn ich so eine Kuh hätte!“ „Nun,“ sprach der Bauer, „geschieht euch so ein großer Gefallen, so will ich euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen.“ Hans willigte mit tausend Freuden ein: der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt eilig davon.

Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte den glücklichen Handel. „Hab ich nur ein Stück Brot, und daran wird mirs doch nicht fehlen, so kann ich, so oft mirs beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab ich Durst, so melk ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?“ Als er zu einem Wirthshaus kam, machte er Halt, aß in der großen Freude alles, was er bei sich hatte, sein Mittags- und Abendbrot, rein auf, und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze ward drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da ward es ihm ganz heiß, so daß ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. „Dem Ding ist zu helfen,“ dachte Hans, „jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben.“ Er band sie an einen dürren Baum, und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter, aber wie er sich auch bemühte, es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige Thier endlich mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er zu Boden taumelte und eine zeitlang sich gar nicht besinnen konnte wo er war. Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!“ rief er und half dem guten Hans auf. Hans erzählte was vorgefallen war. Der Metzger reichte ihm seine Flasche und sprach „da trinkt einmal und erholt euch. Die Kuh will wohl keine Milch geben, das ist ein altes Thier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten.“ „Ei, ei,“ sprach Hans, und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! es ist freilich gut, wenn man so ein Thier ins Haus abschlachten kann, was gibts für Fleisch! aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! das schmeckt anders, dabei noch die Würste.“ „Hört, Hans,“ sprach da der Metzger, „euch zu Liebe will ich tauschen und will euch das Schwein für die Kuh lassen.“ „Gott lohn euch eure Freundschaft“ sprach Hans, übergab ihm die Kuh, ließ sich das Schweinchen vom Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden war, in die Hand geben.

Hans zog weiter und überdachte wie ihm doch alles nach Wunsch gienge, begegnete ihm ja eine Verdrießlichkeit, so würde sie doch gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich danach ein Bursch zu ihm, der trug eine schöne weiße Gans unter dem Arm. Sie boten einander die Zeit, und Hans fieng an von seinem Glück zu erzählen und wie er immer so vortheilhaft getauscht hätte. Der Bursch erzählte ihm daß er die Gans zu einem Kindtaufschmaus brächte. „Hebt einmal,“ fuhr er fort, und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist, die ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muß sich das Fett von beiden Seiten abwischen.“ „Ja,“ sprach Hans, und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht, aber mein Schwein ist auch keine Sau.“ Indessen sah sich der Bursch nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopf. „Hört,“ fieng er darauf an, „mit eurem Schweine mags nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, durch das ich gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden. Ich fürchte, ich fürchte, ihr habts da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie euch mit dem Schwein erwischten: das geringste ist, daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet.“ Dem guten Hans ward bang, „ach Gott,“ sprach er, „helft mir aus der Noth, ihr wißt hier herum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da und laßt mir eure Gans.“ „Ich muß schon etwas aufs Spiel setzen,“ antwortete der Bursche, „aber ich will doch nicht Schuld sein daß ihr ins Unglück gerathet.“ Er nahm also das Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell auf einen Seitenweg fort: der gute Hans aber gieng, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme der Heimath zu. „Wenn ichs recht überlege,“ sprach er mit sich selbst, „habe ich noch Vortheil bei dem Tausch: erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträufeln wird, das gibt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr: und endlich die schönen weißen Federn, die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter eine Freude haben!“

Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein Scheerenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, und er sang dazu „ich schleife die Scheere und drehe geschwind,
und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind.“
Hans blieb stehen und sah ihm zu; endlich redete er ihn an, und sprach „euch gehts wohl, weil ihr so lustig bei eurem Schleifen seid.“ „Ja,“ antwortete der Scheerenschleifer, „das Handwerk hat einen güldenen Boden. Ein rechter Schleifer ist ein Mann, der, so oft er in die Tasche greift, auch Geld darin findet. Aber wo habt ihr die schöne Gans gekauft?“ „Die hab ich nicht gekauft, sondern für mein Schwein eingetauscht.“ „Und das Schwein?“ „Das hab ich für eine Kuh gekriegt.“ „Und die Kuh?“ „Die hab ich für ein Pferd bekommen.“ „Und das Pferd?“ „Dafür hab ich einen Klumpen Gold, so groß als mein Kopf, gegeben.“ „Und das Gold?“ „Ei, das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst.“ „Ihr habt euch jederzeit zu helfen gewußt,“ sprach der Schleifer, „könnt ihrs nun dahin bringen, daß ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn ihr aufsteht, so habt ihr euer Glück gemacht.“ „Wie soll ich das anfangen?“ sprach Hans. „Ihr müßt ein Schleifer werden, wie ich; dazu gehört eigentlich nichts, als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst. Da hab ich einen, der ist zwar ein wenig schadhaft, dafür sollt ihr mir aber auch weiter nichts als eure Gans geben; wollt ihr das?“ „Wie könnt ihr noch fragen,“ antwortete Hans, „ich werde ja zum glücklichsten Menschen auf Erden; habe ich Geld, so oft ich in die Tasche greife, was brauche ich da länger zu sorgen?“ reichte ihm die Gans hin, und nahm den Wetzstein in Empfang. „Nun,“ sprach der Schleifer, und hob einen gewöhnlichen schweren Feldstein, der neben ihm lag, auf, „da habt ihr noch einen tüchtigen Stein dazu, auf dem sichs gut schlagen läßt, und ihr eure alten Nägel gerade klopfen könnt. Nehmt hin und hebt ihn ordentlich auf.“

Hans lud den Stein auf und gieng mit vergnügtem Herzen weiter; seine Augen leuchteten vor Freude, „ich muß in einer Glückshaut geboren sein,“ rief er aus, „alles was ich wünsche trifft mir ein, wie einem Sonntagskind.“ Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen war, begann er müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, da er allen Vorrath auf einmal in der Freude über die erhandelte Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich nur mit Mühe weiter gehen und mußte jeden Augenblick Halt machen; dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen, wollte da ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben: damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich nieder und wollte sich zum Trinken bücken, da versah ers, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpten hinab. Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Thränen in den Augen daß er ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf eine so gute Art und ohne daß er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, von den schweren Steinen befreit hätte, die ihm allein noch hinderlich gewesen wären. „So glücklich wie ich,“ rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.

Bruder Lustig

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 81 – Gast: Jörn Schaar (feiner Podcast)

Quelle:

https://de.wikisource.org/wiki/BruderLustig(1857)


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81. Bruder Lustig

Es war einmal ein großer Krieg, und als der Krieg zu Ende war, bekamen viele Soldaten ihren Abschied. Nun bekam der Bruder Lustig auch seinen Abschied und sonst nichts als ein kleines Laibchen Commißbrot und vier Kreuzer an Geld; damit zog er fort. Der heilige Petrus aber hatte sich als ein armer Bettler an den Weg gesetzt, und wie der Bruder Lustig daher kam, bat er ihn um ein Almosen. Er antwortete „lieber Bettelmann, was soll ich dir geben? ich bin Soldat gewesen und habe meinen Abschied bekommen, und habe sonst nichts als das kleine Commißbrot und vier Kreuzer Geld, wenn das all ist, muß ich betteln, so gut wie du. Doch geben will ich dir was.“ Darauf theilte er den Laib in vier Theile, und gab davon dem Apostel einen und auch einen Kreuzer. Der heilige Petrus bedankte sich, gieng weiter und setzte sich in einer andern Gestalt wieder als Bettelmann dem Soldaten an den Weg, und als er zu ihm kam, bat er ihn, wie das vorigemal, um eine Gabe. Der Bruder Lustig sprach wie vorher und gab ihm wieder ein Viertel von dem Brot und einen Kreuzer. Der heil. Petrus bedankte sich und gieng weiter, setzte sich aber zum drittenmal in einer andern Gestalt als ein Bettler an den Weg und sprach den Bruder Lustig an. Der Bruder Lustig gab ihm auch das dritte Viertel Brot und den dritten Kreuzer. Der heil. Petrus bedankte sich, und der Bruder Lustig gieng weiter und hatte nicht mehr als ein Viertel Brot und einen Kreuzer. Damit gieng er in ein Wirthshaus, aß das Brot und ließ sich für den Kreuzer Bier dazu geben. Als er fertig war, zog er weiter, und da gieng ihm der heil. Petrus gleichfalls in der Gestalt eines verabschiedeten Soldaten entgegen und redete ihn an, „guten Tag, Camerad, kannst du mir nicht ein Stück Brot geben und einen Kreuzer zu einem Trunk?“ „Wo soll ichs hernehmen,“ antwortete der Bruder Lustig, „ich habe meinen Abschied und sonst nichts als einen Laib Commißbrot und vier Kreuzer an Geld bekommen. Drei Bettler sind mir auf der Landstraße begegnet, davon hab ich jedem ein Viertel von meinem Brot und einen Kreuzer Geld gegeben. Das letzte Viertel hab ich im Wirthshaus gegessen und für den letzten Kreuzer dazu getrunken. Jetzt bin ich leer, und wenn du auch nichts mehr hast, so können wir mit einander betteln gehen.“ „Nein,“ antwortete der heil. Petrus, „das wird just nicht nöthig sein: ich verstehe mich ein wenig auf die Doctorei, und damit will ich mir schon so viel verdienen als ich brauche.“ „Ja,“ sagte der Bruder Lustig, „davon verstehe ich nichts, also muß ich allein betteln gehen.“ „Nun komm nur mit,“ sprach der heil. Petrus, „wenn ich was verdiene, sollst du die Hälfte davon haben.“ „Das ist mir wohl recht“ sagte der Bruder Lustig. Also zogen sie mit einander fort.

Nun kamen sie an ein Bauernhaus und hörten darin gewaltig jammern und schreien, da giengen sie hinein, so lag der Mann darin auf den Tod krank und war nah am Verscheiden, und die Frau heulte und weinte ganz laut. „Laßt euer Heulen und Weinen,“ sprach der heil. Petrus, „ich will den Mann wieder gesund machen,“ nahm eine Salbe aus der Tasche und heilte den Kranken augenblicklich, so daß er aufstehen konnte, und ganz gesund war. Sprachen Mann und Frau in großer Freude „wie können wir euch lohnen? was sollen wir euch geben?“ Der heil. Petrus aber wollte nichts nehmen, und jemehr ihn die Bauersleute baten, desto mehr weigerte er sich. Der Bruder Lustig aber stieß den heil. Petrus an, und sagte „so nimm doch was, wir brauchens ja.“ Endlich brachte die Bäuerin ein Lamm und sprach zu dem heil. Petrus das müßte er annehmen, aber er wollte es nicht. Da stieß ihn der Bruder Lustig in die Seite und sprach „nimms doch, dummer Teufel, wir brauchens ja.“ Da sagte der heil. Petrus endlich „ja, das Lamm will ich nehmen, aber ich trags nicht: wenn dus willst, so mußt du es tragen.“ „Das hat keine Noth,“ sprach der Bruder Lustig, „das will ich schon tragen,“ und nahms auf die Schulter. Nun giengen sie fort und kamen in einen Wald, da war das Lamm dem Bruder Lustig schwer geworden, er aber war hungrig, also sprach er zu dem heil. Petrus „schau, da ist ein schöner Platz, da könnten wir das Lamm kochen und verzehren.“ „Mir ists recht,“ antwortete der heil. Petrus, „doch kann ich mit der Kocherei nicht umgehen: willst du kochen, so hast du da einen Kessel, ich will derweil auf und ab gehen, bis es gahr ist. Du mußt aber nicht eher zu essen anfangen, als bis ich wieder zurück bin; ich will schon zu rechter Zeit kommen.“ „Geh nur,“ sagte Bruder Lustig, „ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.“ Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel und kochte. Das Lamm war aber schon gahr und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es und fand das Herz. „Das soll das Beste sein,“ sprach er und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück und sprach „du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gib mir.“ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, konnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg „es ist keins da.“ „Nun, wo solls denn sein?“ sagte der Apostel. „Das weiß ich nicht,“ antwortete der Bruder Lustig, „aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz!“ „Ei,“ sprach der heil. Petrus, „das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?“ „Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.“ „Nun, es ist schon gut,“ sagte der heil. Petrus, „ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.“ „Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen“ sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm und steckte das übrige in seinen Ranzen.

Sie giengen weiter, da machte der heil. Petrus daß ein großes Wasser queer über den Weg floß und sie hindurch mußten. Sprach der heil. Petrus „geh du nur voran.“ „Nein,“ antwortete der Bruder Lustig, „geh du voran,“ und dachte „wenn dem das Wasser zu tief ist, so bleib ich zurück.“ Da schritt der heil. Petrus hindurch, und das Wasser gieng ihm nur bis ans Knie. Nun wollte Bruder Lustig auch hindurch, aber das Wasser wurde größer und stieg ihm an den Hals. Da rief er „Bruder, hilf mir.“ Sagte der heil. Petrus „willst du auch gestehen daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast?“ „Nein,“ antwortete er, „ich hab es nicht gegessen.“ Da ward das Wasser noch größer, und stieg ihm bis an den Mund: „hilf mir, Bruder,“ rief der Soldat. Sprach der heil. Petrus noch einmal „willst du auch gestehen daß du das Herz vom Lamm gegessen hast?“ „Nein,“ antwortete er, „ich hab es nicht gegessen.“ Der heil. Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen, ließ das Wasser wieder fallen und half ihm hinüber.

Nun zogen sie weiter, und kamen in ein Reich, da hörten sie daß die Königstochter todtkrank läge. „Holla, Bruder,“ sprach der Soldat zum heil. Petrus, „da ist ein Fang für uns, wenn wir die gesund machen, so ist uns auf ewige Zeiten geholfen.“ Da war ihm der heil. Petrus nicht geschwind genug, „nun, heb die Beine auf, Bruderherz,“ sprach er zu ihm, „daß wir noch zu rechter Zeit hin kommen.“ Der heil. Petrus gieng aber immer langsamer, wie auch der Bruder Lustig ihn trieb und schob, bis sie endlich hörten die Königstochter wäre gestorben. „Da haben wirs,“ sprach der Bruder Lustig, „das kommt von deinem schläfrigen Gang.“ „Sei nur still,“ antwortete der heil. Petrus, „ich kann noch mehr als Kranke gesund machen, ich kann auch Todte wieder ins Leben erwecken.“ „Nun, wenn das ist,“ sagte der Bruder Lustig, „so laß ich mirs gefallen, das halbe Königreich mußt du uns aber zum wenigsten damit verdienen.“ Darauf giengen sie in das königliche Schloß, wo alles in großer Trauer war: der heil. Petrus aber sagte zu dem König er wollte die Tochter wieder lebendig machen. Da ward er zu ihr geführt, und dann sprach er „bringt mir einen Kessel mit Wasser,“ und wie der gebracht war, hieß er jedermann hinausgehen, und nur der Bruder Lustig durfte bei ihm bleiben. Darauf schnitt er alle Glieder der Todten los und warf sie ins Wasser, machte Feuer unter den Kessel und ließ sie kochen. Und wie alles Fleisch von den Knochen herabgefallen war, nahm er das schöne weiße Gebein heraus, und legte es auf eine Tafel, und reihte und legte es nach seiner natürlichen Ordnung zusammen. Als das geschehen war, trat er davor und sprach dreimal „im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Todte, steh auf.“ Und beim drittenmal erhob sich die Königstochter lebendig, gesund und schön. Nun war der König darüber in großer Freude, und sprach zum heil. Petrus „begehre deinen Lohn, und wenns mein halbes Königreich wäre, so will ich dirs geben.“ Der heil. Petrus aber antwortete „ich verlange nichts dafür.“ „O, du Hans Narr!“ dachte der Bruder Lustig bei sich, stieß seinen Cameraden in die Seite und sprach „sei doch nicht so dumm, wenn du nichts willst, so brauch ich doch was.“ Der heil. Petrus aber wollte nichts; doch weil der König sah daß der andere gerne was wollte, ließ er ihm vom Schatzmeister seinen Ranzen mit Gold anfüllen.

Sie zogen darauf weiter und wie sie in einen Wald kamen, sprach der heil. Petrus zum Bruder Lustig „jetzt wollen wir das Gold theilen.“ „Ja,“ antwortete er, „das wollen wir thun.“ Da theilte der heil. Petrus das Gold, und theilte es in drei Theile. Dachte der Bruder Lustig „was er wieder für einen Sparren im Kopf hat! macht drei Theile, und unser sind zwei.“ Der heil. Petrus aber sprach „nun habe ich genau getheilt, ein Theil für mich, ein Theil für dich, und ein Theil für den, der das Herz vom Lamm gegessen hat.“ „O, das hab ich gegessen,“ antwortete der Bruder Lustig und strich geschwind das Gold ein, „das kannst du mir glauben.“ „Wie kann das wahr sein,“ sprach der heil. Petrus, „ein Lamm hat ja kein Herz.“ „Ei was, Bruder, wo denkst du hin! ein Lamm hat ja ein Herz, so gut wie jedes Thier, warum sollte das allein keins haben?“ „Nun, es ist schon gut,“ sagte der heil. Petrus, „behalt das Gold allein, aber ich bleibe nicht mehr bei dir und will meinen Weg allein gehen.“ „Wie du willst, Bruderherz,“ antwortete der Soldat, „leb wohl.“

Da gieng der heil. Petrus eine andere Straße, Bruder Lustig aber dachte „es ist gut, daß er abtrabt, es ist doch ein wunderlicher Heiliger.“ Nun hatte er zwar Geld genug, wußte aber nicht mit umzugehen, verthats, verschenkts, und wie eine Zeit herum war, hatte er wieder nichts. Da kam er in ein Land, wo er hörte daß die Königstochter gestorben wäre. „Holla,“ dachte er, „das kann gut werden, die will ich wieder lebendig machen, und mirs bezahlen lassen, daß es eine Art hat.“ Gieng also zum König und bot ihm an die Todte wieder zu erwecken. Nun hatte der König gehört daß ein abgedankter Soldat herumziehe, und die Gestorbenen wieder lebendig mache, und dachte der Bruder Lustig wäre dieser Mann, doch, weil er kein Vertrauen zu ihm hatte, fragte [408] er erst seine Räthe, die sagten aber er könnte es wagen, da seine Tochter doch todt wäre. Nun ließ sich der Bruder Lustig Wasser im Kessel bringen, hieß jedermann hinausgehen, schnitt die Glieder ab, warf sie ins Wasser und machte Feuer darunter, gerade wie er es beim heil. Petrus gesehen hatte. Das Wasser fieng an zu kochen, und das Fleisch fiel herab, da nahm er das Gebein heraus und that es auf die Tafel; er wußte aber nicht in welcher Ordnung es liegen mußte, und legte alles verkehrt durch einander. Dann stellte er sich davor, und sprach „im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Todte, steh auf,“ und sprachs dreimal, aber die Gebeine rührten sich nicht. Da sprach er es noch dreimal, aber gleichfalls umsonst. „Du Blitzmädel, steh auf,“ rief er, „steh auf, oder es geht dir nicht gut.“ Wie er das gesprochen, kam der heil. Petrus auf einmal in seiner vorigen Gestalt, als verabschiedeter Soldat, durchs Fenster herein gegangen und sprach „du gottloser Mensch, was treibst du da, wie kann die Todte auferstehen, da du ihr Gebein so unter einander geworfen hast?“ „Bruderherz, ich habs gemacht, so gut ich konnte“ antwortete er. „Diesmal will ich dir aus der Noth helfen, aber das sag ich dir, wo du noch einmal so etwas unternimmst, so bist du unglücklich, auch darfst du von dem König nicht das Geringste dafür begehren oder annehmen.“ Darauf legte der heil. Petrus die Gebeine in ihre rechte Ordnung, sprach dreimal zu ihr „im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Todte, steh auf,“ und die Königstochter stand auf, war gesund und schön wie vorher. Nun gieng der heil. Petrus wieder durchs Fenster hinaus: der Bruder Lustig war froh daß es so gut abgelaufen war, ärgerte sich aber doch daß er nichts dafür nehmen sollte. „Ich möchte nur wissen,“ dachte er, „was der für Mucken im Kopf hat, denn was er mit der einen Hand gibt, das nimmt er mit der andern: da ist kein Verstand drin.“ Nun bot der König dem Bruder Lustig an was er haben wollte, er durfte aber nichts nehmen, doch brachte er es durch Anspielung und Listigkeit dahin, daß ihm der König seinen Ranzen mit Gold füllen ließ, und damit zog er ab. Als er hinaus kam, stand vor dem Thor der heil. Petrus, und sprach „schau, was du für ein Mensch bist, habe ich dir nicht verboten etwas zu nehmen, und nun hast du den Ranzen doch voll Gold.“ „Was kann ich dafür,“ antwortete Bruder Lustig, „wenn mirs hinein gesteckt wird.“ „Das sag ich dir, daß du nicht zum zweitenmal solche Dinge unternimmst, sonst soll es dir schlimm ergehen.“ „Ei, Bruder, sorg doch nicht, jetzt hab ich Gold, was soll ich mich da mit dem Knochenwaschen abgeben.“ „Ja,“ sprach der heil. Petrus, „das Gold wird lang dauern! Damit du aber hernach nicht wieder auf unerlaubten Wegen gehst, so will ich deinem Ranzen die Kraft geben, daß alles, was du dir hinein wünschest, auch darin sein soll. Leb wohl, du siehst mich nun nicht wieder.“ „Gott befohlen,“ sprach der Bruder Lustig, und dachte „ich bin froh daß du fortgehst, du wunderlicher Kauz, ich will dir wohl nicht nachgehen.“ An die Wunderkraft aber, die seinem Ranzen verliehen war, dachte er nicht weiter.

Bruder Lustig zog mit seinem Gold umher, und verthats und verfumfeits wie das erstemal. Als er nun nichts mehr als vier Kreuzer hatte, kam er an einem Wirthshaus vorbei und dachte „das Geld muß fort,“ und ließ sich für drei Kreuzer Wein und einen Kreuzer Brot geben. Wie er da saß und trank, kam ihm der Geruch von gebratenen Gänsen in die Nase. Bruder Lustig schaute und guckte, und sah daß der Wirth zwei Gänse in der Ofenröhre stehen hatte. Da fiel ihm ein daß ihm sein Camerad gesagt hatte was er sich in seinen Ranzen wünschte, das sollte darin sein. „Holla, das mußt du mit den Gänsen versuchen!“ Also gieng er hinaus, und vor der Thüre sprach er „so wünsch ich die zwei gebratenen Gänse aus der Ofenröhre in meinen Ranzen.“ Wie er das gesagt hatte, schnallte er ihn auf, und schaute hinein, da lagen sie beide darin. „Ach, so ists recht,“ sprach er, „nun bin ich ein gemachter Kerl,“ gieng fort auf eine Wiese und holte den Braten hervor. Wie er so im besten Essen war, kamen zwei Handwerksbursche daher und sahen die eine Gans, die noch nicht angerührt war, mit hungrigen Augen an. Dachte der Bruder Lustig „mit einer hast du genug,“ rief die zwei Bursche herbei und sprach „da nehmt die Gans und verzehrt sie auf meine Gesundheit.“ Sie bedankten sich, giengen damit ins Wirthshaus, ließen sich eine Halbe Wein und ein Brot geben, packten die geschenkte Gans aus und fiengen an zu essen. Die Wirthin sah zu und sprach zu ihrem Mann „die zwei essen eine Gans, sieh doch nach obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist.“ Der Wirth lief hin, da war die Ofenröhre leer: „was, ihr Diebsgesindel, so wohlfeil wollt ihr Gänse essen! gleich bezahlt, oder ich will euch mit grünem Haselsaft waschen.“ Die zwei sprachen „wir sind keine Diebe, ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt.“ „Ihr sollt mir keine Nase drehen, der Soldat ist hier gewesen, aber als ein ehrlicher Kerl zur Thür hinaus gegangen, auf den hab ich Acht gehabt: ihr seid die Diebe und sollt bezahlen.“ Da sie aber nicht bezahlen konnten, nahm er den Stock und prügelte sie zur Thüre hinaus.

Bruder Lustig gieng seiner Wege und kam an einen Ort, da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirthshaus. Er gieng in das Wirthshaus und bat um ein Nachtlager, aber der Wirth wies ihn ab, und sprach „es ist kein Platz mehr da, das Haus ist voll vornehmer Gäste.“ „Das nimmt mich Wunder,“ sprach der Bruder Lustig, „daß sie zu euch kommen und nicht in das prächtige Schloß gehen.“ „Ja,“ antwortete der Wirth, „es hat was an sich, dort eine Nacht zu liegen, wers noch versucht hat, ist nicht lebendig wieder heraus gekommen.“ „Wenns andere versucht haben,“ sagte der Bruder Lustig, „will ichs auch versuchen.“ „Das laßt nur bleiben,“ sprach der Wirth, „es geht euch an den Hals.“ „Es wird nicht gleich an den Hals gehen,“ sagte der Bruder Lustig, „gebt mir nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit.“ Nun gab ihm der Wirth die Schlüssel und Essen und Trinken, und damit gieng der Bruder Lustig ins Schloß, ließ sichs gut schmecken, und als er endlich schläfrig wurde, legte er sich auf die Erde, denn es war kein Bett da. Er schlief auch bald ein, in der Nacht aber wurde er von einem großen Lärm aufgeweckt, und wie er sich ermunterte, sah er neun häßliche Teufel in dem Zimmer, die hatten einen Kreiß um ihn gemacht und tanzten um ihn herum. Sprach der Bruder Lustig „nun tanzt, so lang ihr wollt, aber komm mir keiner zu nah.“ Die Teufel aber drangen immer näher auf ihn ein und traten ihm mit ihren garstigen Füßen fast ins Gesicht. „Habt Ruh, ihr Teufelsgespenster,“ sprach er, aber sie triebens immer ärger. Da ward der Bruder Lustig bös und rief „holla, ich will bald Ruhe stiften!“ kriegte ein Stuhlbein und schlug mitten hinein. Aber neun Teufel gegen einen Soldaten war doch zu viel, und wenn er auf den vordern zuschlug, so packten ihn die andern hinten bei den Haaren und rissen ihn erbärmlich. „Teufelspack,“ rief er, „jetzt wird mirs zu arg: wartet aber! Alle neune in meinen Ranzen hinein!“ husch, steckten sie darin, und nun schnallte er ihn zu und warf ihn in eine Ecke. Da wars auf einmal still, und Bruder Lustig legte sich wieder hin und schlief bis an den hellen Morgen. Nun kamen der Wirth und der Edelmann, dem das Schloß gehörte, und wollten sehen wie es ihm ergangen wäre; als sie ihn gesund und munter erblickten, erstaunten sie und fragten „haben euch denn die Geister nichts gethan?“ „Warum nicht gar,“ antwortete Bruder Lustig, „ich habe sie alle neune in meinem Ranzen. Ihr könnt euer Schloß wieder ganz ruhig bewohnen, es wird von nun an keiner mehr darin umgehen!“ Da dankte ihm der Edelmann, beschenkte ihn reichlich und bat ihn in seinen Diensten zu bleiben, er wollte ihn auf sein Lebtag versorgen. „Nein,“ antwortete er, „ich bin an das Herumwandern gewöhnt, ich will weiter ziehen.“ Da gieng der Bruder Lustig fort, trat in eine Schmiede und legte den Ranzen, worin die neun Teufel waren, auf den Ambos, und bat den Schmied und seine Gesellen zuzuschlagen. Die schlugen mit ihren großen Hämmern aus allen Kräften zu, daß die Teufel ein erbärmliches Gekreisch erhoben. Wie er danach den Ranzen aufmachte, waren achte todt, einer aber, der in einer Falte gesessen hatte, war noch lebendig, schlüpfte heraus und fuhr wieder in die Hölle.

Darauf zog der Bruder Lustig noch lange in der Welt herum, und wers wüßte, könnte viel davon erzählen. Endlich aber wurde er alt, und dachte an sein Ende, da gieng er zu einem Einsiedler, der als ein frommer Mann bekannt war und sprach zu ihm „ich bin das Wandern müde und will nun trachten in das Himmelreich zu kommen.“ Der Einsiedler antwortete „es gibt zwei Wege, der eine ist breit und angenehm, und führt zur Hölle, der andere ist eng und rauh, und führt zum Himmel.“ „Da müßt ich ein Narr sein,“ dachte der Bruder Lustig, „wenn ich den engen und rauhen Weg gehen sollte.“ Machte sich auf und gieng den breiten und angenehmen Weg, und kam endlich zu einem großen schwarzen Thor, und das war das Thor der Hölle. Bruder Lustig klopfte an, und der Thorwächter guckte wer da wäre. Wie er aber den Bruder Lustig sah, erschrack er, denn er war gerade der neunte Teufel, der mit in dem Ranzen gesteckt hatte und mit einem blauen Auge davon gekommen war. Darum schob er den Riegel geschwind wieder vor, lief zum Obersten der Teufel, und sprach „draußen ist ein Kerl mit einem Ranzen und will herein, aber laßt ihn bei Leibe nicht herein, er wünscht sonst die ganze Hölle in seinen Ranzen. Er hat mich einmal garstig darin hämmern lassen.“ Also ward dem Bruder Lustig hinaus gerufen er sollte wieder abgehen, er käme nicht herein. „Wenn sie mich da nicht wollen,“ dachte er, „will ich sehen ob ich im Himmel ein Unterkommen finde, irgendwo muß ich doch bleiben.“ Kehrte also um und zog weiter, bis er vor das Himmelsthor kam, wo er auch anklopfte. Der heil. Petrus saß gerade dabei als Thorwächter: der Bruder Lustig erkannte ihn gleich und dachte „hier findest du einen alten Freund, da wirds besser gehen.“ Aber der heil. Petrus sprach „ich glaube gar, du willst in den Himmel?“ „Laß mich doch ein, Bruder, ich muß doch wo einkehren; hätten sie mich in der Hölle aufgenommen, so wär ich nicht hierher gegangen.“ „Nein,“ sagte der heil. Petrus, „du kommst nicht herein.“ „Nun, willst du mich nicht einlassen, so nimm auch deinen Ranzen wieder: dann will ich gar nichts von dir haben,“ sprach der Bruder Lustig. „So gib ihn her’ sagte der heil. Petrus. Da reichte er den Ranzen durchs Gitter in den Himmel hinein, und der heil. Petrus nahm ihn und hieng ihn neben seinen Sessel auf. Da sprach der Bruder Lustig „nun wünsch ich mich selbst in meinen Ranzen hinein.“ Husch, war er darin, und saß nun im Himmel, und der heil. Petrus mußte ihn darin lassen.

Sechse kommen durch die ganze Welt

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 71 – Gästin: Kati Fränzel (Nerd, Nerd, Nerd)

Quelle

https://de.wikisource.org/wiki/SechsekommendurchdieganzeWelt(1857)


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71. Sechse kommen durch die ganze Welt.

Es war einmal ein Mann, der verstand allerlei Künste: er diente im Krieg, und hielt sich brav und tapfer, aber als der Krieg zu Ende war, bekam er den Abschied und drei Heller Zehrgeld auf den Weg. „Wart,“ sprach er, „das laß ich mir nicht gefallen, finde ich die rechten Leute, so soll mir der König noch die Schätze des ganzen Landes heraus geben.“ Da gieng er voll Zorn in den Wald, und sah einen darin stehen, der hatte sechs Bäume ausgerupft, als wärens Kornhalme. Sprach er zu ihm „willst du mein Diener sein und mit mir ziehen?“ „Ja,“ antwortete er, „aber erst will ich meiner Mutter das Wellchen Holz heimbringen,“ und nahm einen von den Bäumen, und wickelte ihn um die fünf andern, hob die Welle auf die Schulter und trug sie fort. Dann kam er wieder, und gieng mit seinem Herrn, der sprach „wir zwei sollten wohl durch die ganze Welt kommen.“ Und als sie ein Weilchen gegangen waren, fanden sie einen Jäger, der lag auf den Knien, hatte die Büchse angelegt und zielte. Sprach der Herr zu ihm „Jäger, was willst du schießen?“ Er antwortete „zwei Meilen von hier sitzt eine Fliege auf dem Ast eines Eichbaums, der will ich das linke Auge heraus schießen.“ „O, geh mit mir,“ sprach der Mann, „wenn wir drei zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.“ Der Jäger war bereit und gieng mit ihm, und sie kamen zu sieben Windmühlen, deren Flügel trieben ganz hastig herum, und gieng doch links und rechts kein Wind, und bewegte sich kein Blättchen. Da sprach der Mann „ich weiß nicht, was [376] die Windmühlen treibt, es regt sich ja kein Lüftchen,“ und gieng mit seinen Dienern weiter, und als sie zwei Meilen fortgegangen waren, sahen sie einen auf einem Baum sitzen, der hielt das eine Nasenloch zu und blies aus dem andern. „Mein, was treibst du da oben?“ fragte der Mann. Er antwortete „zwei Meilen von hier stehen sieben Windmühlen, seht, die blase ich an, daß sie laufen.“ „O, geh mit mir,“ sprach der Mann, „wenn wir vier zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.“ Da stieg der Bläser herab und gieng mit, und über eine Zeit sahen sie einen, der stand da auf einem Bein, und hatte das andere abgeschnallt und neben sich gelegt. Da sprach der Herr „du hast dirs ja bequem gemacht zum Ausruhen.“ „Ich bin ein Laufer,“ antwortete er, „und damit ich nicht gar zu schnell springe, habe ich mir das eine Bein abgeschnallt; wenn ich mit zwei Beinen laufe, so gehts geschwinder als ein Vogel fliegt.“ „O, geh mit mir, wenn wir fünf zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.“ Da gieng er mit, und gar nicht lang, so begegneten sie einem, der hatte ein Hütchen auf, hatte es aber ganz auf dem einen Ohr sitzen. Da sprach der Herr zu ihm „manierlich! manierlich! häng deinen Hut doch nicht auf ein Ohr, du siehst ja aus wie ein Hans Narr.“ „Ich darfs nicht thun,“ sprach der andere, „denn setz ich meinen Hut gerad, so kommt ein gewaltiger Frost, und die Vögel unter dem Himmel erfrieren und fallen todt zur Erde.“ „O, geh mit mir,“ sprach der Herr, „wenn wir sechs zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.“

Nun gingen die sechse in eine Stadt, wo der König hatte bekannt machen lassen wer mit seiner Tochter in die Wette laufen wollte, und den Sieg davon trüge, der sollte ihr Gemahl werden; wer aber verlöre, müßte auch seinen Kopf hergeben. Da meldete sich der Mann, und sprach „ich will aber meinen Diener für mich laufen lassen.“ Der König antwortete „dann mußt du auch noch [377] dessen Leben zum Pfand setzen, also daß sein und dein Kopf für den Sieg haften.“ Als das verabredet und fest gemacht war, schnallte der Mann dem Laufer das andere Bein an und sprach zu ihm „nun sei hurtig und hilf daß wir siegen.“ Es war aber bestimmt, daß wer am ersten Wasser aus einem weit abgelegenen Brunnen brächte, der sollte Sieger sein. Nun bekam der Laufer einen Krug, und die Königstochter auch einen, und sie fiengen zu gleicher Zeit zu laufen an: aber in einem Augenblick, als die Königstochter erst eine kleine Strecke fort war, konnte den Laufer schon kein Zuschauer mehr sehen, und es war nicht anders, als wäre der Wind vorbei gesaust. In kurzer Zeit langte er bei dem Brunnen an, schöpfte den Krug voll Wasser und kehrte wieder um. Mitten aber auf dem Heimweg überkam ihn eine Müdigkeit, da setzte er den Krug hin, legte sich nieder, und schlief ein. Er hatte aber einen Pferdeschädel, der da auf der Erde lag, zum Kopfkissen gemacht, damit er hart läge, und bald wieder erwachte. Indessen war die Königstochter, die auch gut laufen konnte, so gut es ein gewöhnlicher Mensch vermag, bei dem Brunnen angelangt, und eilte mit ihrem Krug voll Wasser zurück; und als sie den Laufer da liegen und schlafen sah, war sie froh und sprach „der Feind ist in meine Hände gegeben,“ leerte seinen Krug aus und sprang weiter. Nun wär alles verloren gewesen, wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mit angesehen hätte. Da sprach er „die Königstochter soll doch gegen uns nicht aufkommen,“ lud seine Büchse und schoß so geschickt, daß er dem Laufer den Pferdeschädel unter dem Kopf wegschoß ohne ihm weh zu thun. Da erwachte der Laufer, sprang in die Höhe und sah daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit voraus war. Aber er verlor den Muth nicht, lief mit dem Krug wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser und war noch zehn Minuten eher [378] als die Königstochter daheim. „Seht ihr,“ sprach er, „jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher wars gar kein Laufen zu nennen.“

Den König aber kränkte es, und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner abgedankter Soldat davon tragen sollte; sie rathschlagten mit einander wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr „ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sie sollen nicht wieder heim kommen.“ Und sprach zu ihnen „ihr sollt euch nun zusammen lustig machen, essen und trinken“ und führte sie zu einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen, und die Thüren waren auch von Eisen, und die Fenster waren mit eisernen Stäben verwahrt. In der Stube war eine Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, da sprach der König zu ihnen „geht hinein, und laßts euch wohl sein.“ Und wie sie darinnen waren, ließ er die Thüre verschließen und verriegeln. Dann ließ er den Koch kommen, und befahl ihm ein Feuer so lang unter die Stube zu machen, bis das Eisen glühend würde. Das that der Koch, und es fieng an und ward den sechsen in der Stube, während sie an der Tafel saßen, ganz warm, und sie meinten das käme vom Essen; als aber die Hitze immer größer ward und sie hinaus wollten, Thüre und Fenster aber verschlossen fanden, da merkten sie daß der König Böses im Sinne gehabt hatte und sie ersticken wollte. „Es soll ihm aber nicht gelingen,“ sprach der mit dem Hütchen, „ich will einen Frost kommen lassen, vor dem sich das Feuer schämen und verkriechen soll.“ Da setzte er sein Hütchen gerade, und alsobald fiel ein Frost daß alle Hitze verschwand und die Speisen auf den Schüsseln anfiengen zu frieren. Als nun ein paar Stunden herum waren, und der König glaubte sie wären in der Hitze verschmachtet, ließ er die Thüre öffnen und wollte selbst nach ihnen sehen. Aber wie die Thüre aufgieng, standen sie alle sechse da, frisch und gesund, und sagten es wäre ihnen lieb daß sie heraus könnten, sich zu wärmen, denn [379] bei der großen Kälte in der Stube frören die Speisen an den Schüsseln fest. Da gieng der König voll Zorn hinab zu dem Koch, schalt ihn und fragte warum er nicht gethan hätte was ihm wäre befohlen worden. Der Koch aber antwortete „es ist Glut genug da, seht nur selbst.“ Da sah der König daß ein gewaltiges Feuer unter der Eisenstube brannte, und merkte daß er den sechsen auf diese Weise nichts anhaben könnte.

Nun sann der König aufs neue wie er der bösen Gäste los würde, ließ den Meister kommen und sprach „willst du Gold nehmen, und dein Recht auf meine Tochter aufgeben, so sollst du haben so viel du willst.“ „O ja, Herr König,“ antwortete er, „gebt mir so viel als mein Diener tragen kann, so verlange ich eure Tochter nicht.“ Das war der König zufrieden, und jener sprach weiter „so will ich in vierzehn Tagen kommen und es holen.“ Darauf rief er alle Schneider aus dem ganzen Reich herbei, die mußten vierzehn Tage lang sitzen und einen Sack nähen. Und als er fertig war, mußte der Starke, welcher Bäume ausrupfen konnte, den Sack auf die Schulter nehmen und mit ihm zu dem König gehen. Da sprach der König „was ist das für ein gewaltiger Kerl, der den hausgroßen Ballen Leinewand auf der Schulter trägt?“ erschrack und dachte „was wird der für Gold wegschleppen!“ Da hieß er eine Tonne Gold herbringen, die mußten sechzehn der stärksten Männer tragen, aber der Starke packte sie mit einer Hand, steckte sie in den Sack und sprach „warum bringt ihr nicht gleich mehr, das deckt ja kaum den Boden.“ Da ließ der König nach und nach seinen ganzen Schatz herbeitragen, den schob der Starke in den Sack hinein, und der Sack ward davon noch nicht zur Hälfte voll. „Schafft mehr herbei,“ rief er, „die paar Brocken füllen nicht.“ Da mußten noch siebentausend Wagen mit Gold in dem ganzen Reich zusammen gefahren werden: die schob der Starke sammt den vorgespannten Ochsen in [380] seinen Sack. „Ich wills nicht lange besehen,“ sprach er, „und nehmen was kommt, damit der Sack nur voll wird.“ Wie alles darin stack, gieng doch noch viel hinein, da sprach er „ich will dem Ding nur ein Ende machen, man bindet wohl einmal einen Sack zu, wenn er auch noch nicht voll ist.“ Dann huckte er ihn auf den Rücken und gieng mit seinen Gesellen fort.

Als der König nun sah wie der einzige Mann des ganzen Landes Reichthum forttrug, ward er zornig und ließ seine Reiterei aufsitzen, die sollten den sechsen nachjagen, und hatten Befehl dem Starken den Sack wieder abzunehmen. Zwei Regimenter holten sie bald ein, und riefen ihnen zu „ihr seid Gefangene, legt den Sack mit dem Gold nieder, oder ihr werdet zusammengehauen.“ „Was sagt ihr?“ sprach der Bläser, „wir wären Gefangene? eher sollt ihr sämmtlich in der Luft herumtanzen,“ hielt das eine Nasenloch zu und blies mit dem andern die beiden Regimenter an, da fuhren sie aus einander und in die blaue Luft über alle Berge weg, der eine hierhin, der andere dorthin. Ein Feldwebel rief um Gnade, er hätte neun Wunden und wäre ein braver Kerl, der den Schimpf nicht verdiente. Da ließ der Bläser ein wenig nach, so daß er ohne Schaden wieder herab kam, dann sprach er zu ihm „nun geh heim zum König und sag er sollte nur noch mehr Reiterei schicken, ich wollte sie alle in die Luft blasen.“ Der König, als er den Bescheid vernahm, sprach „laßt die Kerle gehen, die haben etwas an sich.“ Da brachten die sechs den Reichthum heim, theilten ihn unter sich und lebten vergnügt bis an ihr Ende.

Der Wolf und der Mensch / Der Wolf und der Fuchs / Der Fuchs und die Frau Gevatterin / Der Fuchs und die Katze

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 72 bis 75 – Gast: Philipp Weißmann (Das Ach!)

QUELLE

https://de.wikisource.org/wiki/DerWolfundderMensch_(1857)

https://de.wikisource.org/wiki/DerWolfundderFuchs_(1857)

https://de.wikisource.org/wiki/DerFuchsunddieFrauGevatterin(1857)

https://de.wikisource.org/wiki/DerFuchsunddieKatze_(1857)


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72. Der Wolf und der Mensch

Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen, kein Thier könnte ihm widerstehen, und sie müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf „wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen.“ „Dazu kann ich dir helfen,“ sprach der Fuchs, „komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen.“ Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage gieng. Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat. „Ist das ein Mensch?“ fragte der Wolf. „Nein,“ antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen.“ Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. „Ist das ein Mensch?“ „Nein, das will erst einer werden.“ Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken, und den Hirschfänger an der Seite. Sprach der Fuchs zum Wolf „siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du losgehen, ich aber will mich fort in meine Höhle machen.“ Der Wolf gieng nun auf den Menschen los, der Jäger, als er ihn erblickte, sprach „es ist Schade, daß ich keine Kugel geladen habe,“ legte an und schoß dem Wolf das Schrot ins Gesicht. Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und gieng vorwärts: da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe: da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, daß er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs zurück lief. „Nun, Bruder Wolf,“ sprach der Fuchs, „wie bist du mit dem Menschen fertig worden?“ „Ach,“ antwortete der Wolf, „so hab ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt, erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt: danach pustete er noch einmal in den Stock, da flog mirs um die Nase, wie Blitz und Hagelwetter, und wie ich ganz nah war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leib, damit hat er so auf mich losgeschlagen, daß ich beinah todt wäre liegen geblieben.“ „Siehst du,“ sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans bist: du wirfst das Beil so weit, daß dus nicht wieder holen kannst.“


73. Der Wolf und der Fuchs.

Der Wolf hatte den Fuchs bei sich, und was der Wolf wollte, das mußte der Fuchs thun, weil er der schwächste war, und der Fuchs wär gerne des Herrn los gewesen. Es trug sich zu, daß sie beide durch den Wald giengen, da sprach der Wolf „Rothfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf.“ Da antwortete der Fuchs „ich weiß einen Bauernhof, wo ein paar junge Lämmlein sind, hast du Lust, so wollen wir eins holen.“ Dem Wolf war das recht, sie giengen hin, und der Fuchs stahl das Lämmlein, brachte es dem Wolf und machte sich fort. Da fraß es der Wolf auf, war aber damit noch nicht zufrieden, sondern wollte das andere dazu haben, und gieng es zu holen. Weil er es aber so ungeschickt machte, ward es die Mutter vom Lämmlein gewahr und fieng an entsetzlich zu schreien und zu bläen, daß die Bauern herbeigelaufen kamen. Da fanden sie den Wolf und schlugen ihn so erbärmlich, daß er hinkend und heulend bei dem Fuchs ankam. „Du hast mich schön angeführt,“ sprach er, „ich wollte das andere Lamm holen, da haben mich die Bauern erwischt und haben mich weich geschlagen.“ Der Fuchs antwortete „warum bist du so ein Nimmersatt.“

Am andern Tag giengen sie wieder ins Feld, sprach der gierige Wolf abermals „Rothfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf.“ Da antwortete der Fuchs „ich weiß ein Bauernhaus, da backt die Frau heut Abend Pfannkuchen, wir wollen uns davon holen.“ Sie giengen hin, und der Fuchs schlich ums Haus herum, guckte und schnupperte so lange, bis er ausfindig machte wo die Schüssel stand, zog dann sechs Pfannkuchen herab und brachte sie dem Wolf. „Da hast du zu fressen,“ sprach er zu ihm und gieng seiner Wege. Der Wolf hatte die Pfannkuchen in einem Augenblick hinunter geschluckt und sprach „sie schmecken nach mehr,“ gieng hin und riß geradezu die ganze Schüssel herunter, daß sie in Stücke zersprang. Da gabs einen gewaltigen Lärm, daß die Frau herauskam, und als sie den Wolf sah, rief sie die Leute, die eilten herbei und schlugen ihn was Zeug wollte halten, daß er mit zwei lahmen Beinen laut heulend zum Fuchs in den Wald hinaus kam. „Was hast du mich garstig angeführt!“ rief er, „die Bauern haben mich erwischt und mir die Haut gegerbt.“ Der Fuchs aber antwortete „warum bist du so ein Nimmersatt.“

Am dritten Tag, als sie beisammen draußen waren, und der Wolf mit Mühe nur forthinkte, sprach er doch wieder „Rothfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf.“ Der Fuchs antwortete „ich weiß einen Mann, der hat geschlachtet, und das gesalzene Fleisch liegt in einem Faß im Keller, das wollen wir holen.“ Sprach der Wolf „aber ich will gleich mitgehen, damit du mir hilfst, wenn ich nicht fort kann.“ „Meinetwegen,“ sagte der Fuchs, und zeigte ihm die Schliche und Wege, auf welchen sie endlich in den Keller gelangten. Da war nun Fleisch im Überfluß, und der Wolf machte sich gleich daran und dachte „bis ich aufhöre, hats Zeit.“ Der Fuchs ließ sichs auch gut schmecken, blickte überall herum, lief aber oft zu dem Loch, durch welches sie gekommen waren und versuchte ob sein Leib noch schmal genug wäre durchzuschlüpfen. Sprach der Wolf „lieber Fuchs, sag mir warum rennst du so hin und her, und springst hinaus und herein?“ „Ich muß doch sehen, ob niemand kommt,“ antwortete der listige, „friß nur nicht zu viel.“ Da sagte der Wolf „ich gehe nicht eher fort, als bis das Faß leer ist.“ Indem kam der Bauer, der den Lärm von des Fuchses Sprüngen gehört hatte, in den Keller. Der Fuchs, wie er ihn sah, war mit einem Satz zum Loch draußen: der Wolf wollte nach, aber er hatte sich so dick gefressen, daß er nicht mehr durch konnte, sondern stecken blieb. Da kam der Bauer mit einem Knüppel und schlug ihn todt. Der Fuchs aber sprang in den Wald und war froh daß er den alten Nimmersatt los war.


74. Der Fuchs und die Frau Gevatterin.

Die Wölfin brachte ein Junges zur Welt und ließ den Fuchs zu Gevatter einladen. „Er ist doch nahe mit uns verwandt,“ sprach sie, „hat einen guten Verstand und viel Geschicklichkeit, er kann mein Söhnlein unterrichten und ihm in der Welt forthelfen.“ Der Fuchs erschien auch ganz ehrbar und sprach „liebwerthe Frau Gevatterin, ich danke euch für die Ehre, die ihr mir erzeigt, ich will mich aber auch so halten, daß ihr eure Freude daran haben sollt.“ Bei dem Fest ließ er sichs schmecken und machte sich ganz lustig, hernach sagte er „liebe Frau Gevatterin, es ist unsere Pflicht, für das Kindlein zu sorgen, ihr müßt gute Nahrung haben, damit es auch zu Kräften kommt. Ich weiß einen Schafstall, woraus wir leicht ein gutes Stück holen können.“ Der Wölfin gefiel das Liedlein, und sie gieng mit dem Fuchs hinaus nach dem Bauernhof. Er zeigte ihr den Stall aus der Ferne und sprach „dort werdet ihr ungesehen hineinkriechen können, ich will mich derweil auf der andern Seite umsehen, ob ich etwa ein Hühnlein erwische.“ Er gieng aber nicht hin, sondern ließ sich am Eingang des Waldes nieder, streckte die Beine und ruhte sich. Die Wölfin kroch in den Stall, da lag ein Hund und machte Lärm, so daß die Bauern gelaufen kamen, die Frau Gevatterin ertappten und eine scharfe Lauge von ungebrannter Asche über ihr Fell gossen. Endlich entkam sie doch und schleppte sich hinaus: da lag der Fuchs, that ganz kläglich und sprach „ach, liebe Frau Gevatterin, wie ist mirs schlimm ergangen! die Bauern haben mich überfallen und mir alle Glieder zerschlagen, wenn ihr nicht wollt daß ich auf dem Platz liegen bleiben und verschmachten soll, so müßt ihr mich forttragen.“ Die Wölfin konnte selbst nur langsam fort, doch hatte sie große Sorge für den Fuchs, daß sie ihn auf ihren Rücken nahm, und den ganz gesunden und heilen Gevatter langsam bis zu ihrem Haus trug. Da rief er ihr zu „lebt wohl, liebe Frau Gevatterin, und laßt euch den Braten wohl bekommen,“ lachte sie gewaltig aus und sprang fort.


75. Der Fuchs und die Katze.

Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte „er ist gescheidt und wohl erfahren, und gilt viel in der Welt,“ so sprach sie ihm freundlich zu. „Guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie gehts? wie stehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuren Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuthes voll, betrachtete die Katze von Kopf bis zu Füßen und wußte lange nicht ob er eine Antwort geben sollte. Endlich sprach er „O du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger Narr, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn? du unterstehst dich zu fragen wie mirs gehe? was hast du gelernt? wie viel Künste verstehst du?“ „Ich verstehe nur eine einzige“ antwortete bescheidentlich die Katze. „Was ist das für eine Kunst?“ fragte der Fuchs. „Wenn die Hunde hinter mir her sind, so kann ich auf einen Baum springen und mich retten.“ „Ist das alles?“ sagte der Fuchs, „ich bin Herr über hundert Künste und habe überdies noch einen Sack voll Liste. Du jammerst mich, komm mit mir, ich will dich lehren wie man den Hunden entgeht.“ Indem kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Die Katze sprang behend auf einen Baum und setzte sich in den Gipfel, wo Äste und Laubwerk sie völlig verbargen. „Bindet den Sack auf, Herr Fuchs, bindet den Sack auf,“ rief ihm die Katze zu, aber die Hunde hatten ihn schon gepackt und hielten ihn fest. „Ei, Herr Fuchs,“ rief die Katze, „ihr bleibt mit euern hundert Künsten stecken. Hättet ihr heraufkriechen können wie ich, so wärs nicht um euer Leben geschehen.“

Die Nelke

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 76 – Gast: Jürgen Krauss

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72. Der Wolf und der Mensch

Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen, kein Thier könnte ihm widerstehen, und sie müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf „wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen.“ „Dazu kann ich dir helfen,“ sprach der Fuchs, „komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen.“ Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage gieng. Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat. „Ist das ein Mensch?“ fragte der Wolf. „Nein,“ antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen.“ Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. „Ist das ein Mensch?“ „Nein, das will erst einer werden.“ Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken, und den Hirschfänger an der Seite. Sprach der Fuchs zum Wolf „siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du losgehen, ich aber will mich fort in meine Höhle machen.“ Der Wolf gieng nun auf den Menschen los, der Jäger, als er ihn erblickte, sprach „es ist Schade, daß ich keine Kugel geladen habe,“ legte an und schoß dem Wolf das Schrot ins Gesicht. Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und gieng vorwärts: da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe: da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, daß er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs zurück lief. [382] „Nun, Bruder Wolf,“ sprach der Fuchs, „wie bist du mit dem Menschen fertig worden?“ „Ach,“ antwortete der Wolf, „so hab ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt, erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt: danach pustete er noch einmal in den Stock, da flog mirs um die Nase, wie Blitz und Hagelwetter, und wie ich ganz nah war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leib, damit hat er so auf mich losgeschlagen, daß ich beinah todt wäre liegen geblieben.“ „Siehst du,“ sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans bist: du wirfst das Beil so weit, daß dus nicht wieder holen kannst.“

Die drei Glückskinder

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 70 – Gast: Kati Fränzel

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70. Die drei Glückskinder

Ein Vater ließ einmal seine drei Söhne vor sich kommen und schenkte dem ersten einen Hahn, dem zweiten eine Sense, dem dritten eine Katze. „Ich bin schon alt,“ sagte er, „und mein Tod ist nah, da wollte ich euch vor meinem Ende noch versorgen. Geld hab ich nicht, und was ich euch jetzt gebe, scheint wenig werth, es kommt aber bloß darauf an, daß ihr es verständig anwendet: sucht euch nur ein Land, wo dergleichen Dinge noch unbekannt sind, so ist euer Glück gemacht.“ Nach dem Tode des Vaters gieng der älteste mit seinem Hahn aus, wo er aber hinkam, war der Hahn schon bekannt: in den Städten sah er ihn schon von weitem auf den Thürmen sitzen, und sich mit dem Wind umdrehen, in den Dörfern hörte er mehr als einen krähen, und niemand wollte sich über das Thier wundern, so daß es nicht das Ansehn hatte, als würde er sein Glück damit machen. Endlich aber gerieths ihm doch, daß er auf eine Insel kam, wo die Leute nichts von einem Hahn wußten, sogar ihre Zeit nicht einzutheilen verstanden. Sie wußten wohl wenns Morgen oder Abend war, aber Nachts, wenn sies nicht verschliefen, wußte sich keiner aus der Zeit herauszufinden. „Seht,“ sprach er, „was für ein stolzes Thier, es hat eine rubinrothe Krone auf dem Kopf, und trägt Sporn wie ein Ritter: es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an, und wenns das letztemal ruft, so geht die Sonne bald auf. Wenns aber bei hellem Tag ruft, so richtet euch darauf ein, dann gibts gewiß anderes Wetter.“ Den Leuten gefiel das wohl, sie schliefen eine ganze Nacht nicht und hörten mit großer Freude [373] wie der Hahn um zwei vier und sechs Uhr laut und vernehmlich die Zeit abrief. Sie fragten ihn ob das Thier nicht feil wäre und wieviel er dafür verlangte. „Etwa so viel, als ein Esel Gold trägt,“ antwortete er. „Ein Spottgeld für ein so kostbares Thier“ riefen sie insgesammt und gaben ihm gerne was er gefordert hatte.

Als er mit dem Reichthum heim kam, verwunderten sich seine Brüder, und der zweite sprach „so will ich mich doch aufmachen und sehen ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann.“ Es hatte aber nicht das Ansehen danach, denn überall begegneten ihm Bauern und hatten so gut eine Sense auf der Schulter als er. Doch zuletzt glückte es ihm auch auf einer Insel, wo die Leute nichts von einer Sense wußten. Wenn dort das Korn reif war, so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf, und schossens herunter. Das war nun ein ungewisses Ding, mancher schoß drüber hinaus, ein anderer traf statt des Halms die Ähren, und schoß sie fort, dabei gieng viel zu Grund, und obendrein gabs einen lästerlichen Lärmen. Da stellte sich der Mann hin und mähte es so still und so geschwind nieder, daß die Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten. Sie waren willig ihm dafür zu geben was er verlangte, und er bekam ein Pferd, dem war Gold aufgeladen, so viel es tragen konnte.

Nun wollte der dritte Bruder seine Katze auch an den rechten Mann bringen. Es gieng ihm wie den andern, so lange er auf dem festen Lande blieb, war nichts auszurichten, es gab aller Orten Katzen, und waren ihrer so viel, daß die neugebornen Jungen meist im Wasser ersäuft wurden. Endlich ließ er sich auf eine Insel überschiffen, und es traf sich glücklicherweise, daß dort noch niemals eine gesehen war und doch die Mäuse so überhand genommen hatten, daß sie auf den Tischen und Bänken tanzten, der Hausherr mochte daheim sein oder nicht. Die Leute jammerten gewaltig über die Plage, der König selbst wußte sich in seinem [374] Schlosse nicht dagegen zu retten: in allen Ecken pfiffen Mäuse und zernagten was sie mit ihren Zähnen nur packen konnten. Da fieng nun die Katze ihre Jagd an und hatte bald ein paar Säle gereinigt, und die Leute baten den König das Wunderthier für das Reich zu kaufen. Der König gab gerne was gefordert wurde, das war ein mit Gold beladener Maulesel, und der dritte Bruder kam mit den allergrößten Schätzen heim.

Die Katze machte sich in dem königlichen Schlosse mit den Mäusen eine rechte Lust und biß so viele todt daß sie nicht mehr zu zählen waren. Endlich ward ihr von der Arbeit heiß, und sie bekam Durst: da blieb sie stehen, drehte den Kopf in die Höhe und schrie „miau, miau.“ Der König sammt allen seinen Leuten, als sie das seltsame Geschrei vernahmen, erschraken und liefen in ihrer Angst sämmtlich zum Schloß hinaus. Unten hielt der König Rath, was zu thun das beste wäre; zuletzt ward beschlossen einen Herold an die Katze abzuschicken und sie aufzufordern das Schloß zu verlassen, oder zu gewärtigen daß Gewalt gegen sie gebraucht würde. Die Räthe sagten „lieber wollen wir uns von den Mäusen plagen lassen, an das Übel sind wir gewöhnt, als unser Leben einem solchen Unthier Preis geben.“ Ein Edelknabe mußte hinauf gehen und die Katze fragen „ob sie das Schloß gutwillig räumen wollte?“ Die Katze aber, deren Durst nur noch größer geworden war, antwortete bloß „miau, miau.“ Der Edelknabe verstand „durchaus, durchaus nicht,“ und überbrachte dem König die Antwort. „Nun,“ sprachen die Räthe, „soll sie der Gewalt weichen.“ Es wurden Kanonen aufgeführt und das Haus in Brand geschossen. Als das Feuer in den Saal kam wo die Katze saß, sprang sie glücklich zum Fenster hinaus; die Belagerer hörten aber nicht eher auf, als bis das ganze Schloß in Grund und Boden geschossen war.

Jorinde und Joringel

Gebr. Grimm (1857) – Märchen 69 – Gast: Dominik Schönleben

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https://de.wikisource.org/wiki/JorindeundJoringel_(1857)

Gast: Dominik Schönleben
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69. Jorinde und Joringel

Es war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Vögel herbei locken, und dann schlachtete sie, kochte und briet es. Wenn Jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stille stehen und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn los sprach: wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreiß kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel, und sperrte sie dann in einen Korb ein, und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl sieben tausend solcher Körbe mit so raren Vögeln im Schlosse.

Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde: sie war schöner als alle andere Mädchen. Die, und dann ein gar schöner Jüngling, Namens Joringel, hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am andern. Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden könnten, giengen sie in den Wald spazieren. „Hüte dich,“ sagte Joringel, „daß du nicht so nahe ans Schloß kommst.“ Es war ein schöner Abend, die Sonne schien zwischen den Stämmen der Bäume hell ins dunkle Grün des Waldes, und die Turteltaube sang kläglich auf den alten Maibuchen.

Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin im Sonnenschein und klagte; Joringel klagte auch. Sie waren so bestürzt, als wenn [370] sie hätten sterben sollen: sie sahen sich um, waren irre und wußten nicht wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrack und wurde todtbang. Jorinde sang

„mein Vöglein mit dem Ringlein roth
singt Leide, Leide, Leide:
es singt dem Täubelein seinen Tod,
singt Leide, Lei– zucküth, zicküth, zicküth.“
Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang „zicküth, zicküth.“ Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum und schrie dreimal „schu, hu, hu, hu.“ Joringel konnte sich nicht regen: er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter: die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rothe Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fieng die Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme „grüß dich, Zachiel, wenns Möndel ins Körbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund.“ Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat sie möchte ihm seine Jorinde wieder geben, aber sie sagte er sollte sie nie wieder haben, und gieng fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. „Uu, was soll mir geschehen?“ Joringel gieng fort und kam endlich in ein fremdes Dorf: da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft gieng er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des Nachts er fände eine blutrothe Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war. Die Blume brach er ab, [371] gieng damit zum Schlosse: alles, was er mit der Blume berührte, ward von der Zauberei frei: auch träumte er, er hätte seine Jorinde dadurch wieder bekommen. Des Morgens, als er erwachte, fieng er an durch Berg und Thal zu suchen ob er eine solche Blume fände: er suchte bis an den neunten Tag, da fand er die blutrothe Blume am Morgen früh. In der Mitte war ein großer Thautropfe, so groß wie die schönste Perle. Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloß. Wie er auf hundert Schritt nahe bis zum Schloß kam, da ward er nicht fest, sondern gieng fort bis ans Thor. Joringel freute sich hoch, berührte die Pforte mit der Blume, und sie sprang auf. Er gieng hinein, durch den Hof, horchte wo er die vielen Vögel vernähme: endlich hörte ers. Er gieng und fand den Saal, darauf war die Zauberin und fütterte die Vögel in den sieben tausend Körben. Wie sie den Joringel sah, ward sie bös, sehr bös, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnte auf zwei Schritte nicht an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie und gieng, besah die Körbe mit den Vögeln; da waren aber viele hundert Nachtigallen, wie sollte er nun seine Jorinde wieder finden? Indem er so zusah, daß die Alte heimlich ein Körbchen mit einem Vogel wegnahm und damit nach der Thüre gieng. Flugs sprang er hinzu, berührte das Körbchen mit der Blume und auch das alte Weib: nun konnte sie nichts mehr zaubern, und Jorinde stand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, so schön wie sie ehemals war. Da machte er auch alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen, und da gieng er mit seiner Jorinde nach Hause, und sie lebten lange vergnügt zusammen.